Warum das Bundesverfassungsgericht bei seinem Urteil zu Hochsicherheitsspielen irrt

Das Bundesverfassungsgericht hat entschieden, dass (nicht nur) Fußballvereine künftig an den Polizeikosten für sogenannte Hochrisikospiele beteiligt werden müssen. Diese Entscheidung stellt nicht nur eine juristische Weichenstellung dar, sondern auch eine gefährliche Verschiebung fundamentaler Werte, denn: Sicherheit als staatliche Aufgabe ist keine Verhandlungssache und darf auch nicht dazu gemacht werden.

Sicherheit ist Staatsaufgabe!

Die Gewährleistung öffentlicher Sicherheit gehört zu den zentralen Aufgaben des Staates. Sie darf nicht von der Zahlungsbereitschaft einzelner Veranstalter abhängen. Das Bundesverfassungsgericht begründet seine Entscheidung mit der Möglichkeit des Gesetzgebers, bei Veranstaltungen mit erhöhtem Risiko Gebühren auf die Verursacher umzulegen. Es beruft sich dabei auf das Prinzip der „Kostenwahrheit“ und sieht in der Kostenbeteiligung der Vereine eine faire Entlastung der Allgemeinheit. Allerdings: Das Ordnungsrecht basiert nicht auf dem Verursacherprinzip, sondern folgt verfassungsrechtlichen Grundsätzen: Alles, was im öffentlichen Raum geschieht, ist Sache des Staates und somit der Polizei. Soll die Umgebung von Veranstaltungszentren jetzt also dem Veranstaltungsort zugeordnet werden?

Hier liegt also ein Trugschluss vor: Sicherheit ist nicht verhandelbar, sie ist ein fundamentaler, klar definierter Bestandteil des Staatsauftrags, unabhängig von finanziellen Erwägungen – und der Ort, in dem das zu passieren hat, ist klar definiert. Wie erwähnt, außerhalb des Veranstaltungsorts dürfen Veranstalter überhaupt nicht eingreifen, hier verschafft das BVerfG dem Staat also ein Dienstleistungsmonopol, basierend auf dem Gewaltmonopol. Denn die Veranstalter müssen die Polizei „buchen“ und haben keine Wahlfreiheiten, einen anderen „Sicherheitsdienst“ zu beauftragen.

Unbeantwortete Fragen anstatt wichtiger Antworten

Das Urteil wirft daher unbeantwortete Fragen auf. Was passiert, wenn die Polizei aufgrund finanzieller Engpässe der Vereine in ihrer Arbeit eingeschränkt wird? Was, wenn die Zahl der Einsatzkräfte bei einem Spiel reduziert wird, weil der Veranstalter nicht zahlen kann? Und vor allem: Wer bestimmt, was ein Sicherheitsspiel ist und was nicht? Anders formuliert: Wer entscheidet über Zusatzkosten für die Klubs? Und haben die überhaupt keine Möglichkeiten, sich gegen aus ihrer Sicht falsche Einstufungen zu wehren? Einflussmöglichkeiten auf die Einsätze, da ist die Politik rigoros, werden die Veranstalter nicht bekommen. Sie dürfen zahlen, was gefordert wird. Punkt.

Die Konsequenzen könnten gravierend sein: Die Unabhängigkeit der Polizei, das Vertrauen der Bürger in den Staat sowie die Integrität unserer Gemeinschaft stehen auf dem Spiel. Besonders problematisch ist, dass das Urteil das Vertrauen in die Neutralität der Polizei fundamental erschüttern könnte. Denn, auch das gehört dazu, es wird immer der Vorwurf mitschwingen, dass Polizeieinsätze extra umfangreich angesetzt werden, um Geld in die Kassen des Landes zu bekommen.

Zahl‘ oder stirb!

Wird jetzt bei jedem „Extra-Einsatz“ der Polizei eine detailierte Rechnung geschrieben, die der Veranstalter nachvollziehen kann? Kann er Widerspruch einlegen, wenn er bemerkt, dass in Rechnung gestellte Leistungen nicht notwendig waren oder nichts mit der Veranstaltung zu tun hatten?

Das Urteil setzt zudem einen gefährlichen Präzedenzfall. Was heute beim Fußball gilt, könnte morgen auf andere Bereiche übergreifen – etwa auf Demonstrationen oder Großveranstaltungen. Der Passus im Bremischen Gebühren- und Beitragsgesetz ist hier nämlich bereits offen gestaltet und spricht vorerst „lediglich“ von gewinnorientierten, erfahrungsgemäß gewaltgeneigte Veranstaltungen mit mehr als 5000 Besuchern.Gewaltgeneigt… eine schwammige Formulierung, die zu origineller Auslegung geradezu einlädt. Im Zweifel werden Veranstalter von Großkonzerten und anderem Bremen meiden, um Zusatzkosten auszuschließen. Zumindest, bis andere Bundesländer diese neue Geldquelle für sich entdecken.

Bundesverfassungsgericht springt zu kurz

Die öffentliche Sicherheit darf aber nicht von wirtschaftlichen Interessen abhängig gemacht werden. Die Polizei muss unabhängig arbeiten können, ohne dass politische oder wirtschaftliche Faktoren ihre Entscheidungen oder Einsätze beeinflussen. Genau das ist nämlich ein integrativer Bestandteil des Gewaltmonopols. Die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts öffnet deshalb Willkür und Entscheidungen nach Gutsherrenart Tür und Tor. Erleben wiir bald zweierlei Maß bei der Einschätzung, was gewinnorientiert ist und was gewaltgeneigt? Gerade in Bremen muss damit gerechnet werden.

Der Staat muss sich seiner Verantwortung stellen, wenn es um die Sicherheit seiner Bürger geht. Der Versuch, diese Verantwortung auf private Veranstalter abzuwälzen, ist ein gefährlicher Schritt. Öffentlich finanzierte Sicherheitsdienste sind ein Grundrecht und keine Marktleistung. Wenn Vereine für die Sicherheit bei Großereignissen bezahlen müssen, wird nicht nur die öffentliche Neutralität gefährdet, sondern auch die Chancengleichheit im Sport.

Massive Fehlentwicklung

Das Urteil des Bundesverfassungsgerichts mag rechtlich korrekt sein (tatsächlich sehe ich das angesichts der Kompetenz des BVerfG als sicher an), doch es stellt eine bedenkliche Weichenstellung dar. Sicherheit darf nicht zur Handelsware werden – sie muss ein unantastbares Recht für alle Bürger bleiben. Sie zur Handelsware zu degradieren, dazu noch je nach Lust und Laune darüber zu entscheiden, wann die Kostenkarte gezogen wird und wann nicht, ist für eine freiheitlich-demokratische Gesellschaft eine massive Fehlentwicklung.

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert